im Leben unterwegs
Es ist alles so logisch! Ich lebe nicht das Leben, das für mich bestimmt ist. Ich lebe gegen mein Herz. Dafür macht mein Herz mir die Hölle heiß, schlägt unregelmäßig wie ein betrunkener Trommler, und lässt mich beinahe umkippen wegen Übelkeit. In viele Fehler habe ich mich selbst hineinmanövriert - aber warum?? Das ist doch die Kernfrage! Warum? Weil ich unfähig bin, die Aufgaben, die mir in diesem falschen gewählten Leben gestellt werden, unter den Bedingungen, die dieses Leben bietet, zu lösen. Weil ich es aber immer schaffen will, immer gut sein und gut scheinen will - und weil in diesem Leben vom Sein nicht mehr viel bleibt außer dem Schein -, zerreißt es mein Herz beinahe beim Versuch, alles zu wollen, alle Gegensätze gleichzeitig zu sein.
Bei einem Computerspiel, das mehrere Levels hat, übt man lange auf dem untersten. Das ist dann leicht. Wenn man eine Stufe höhergeklommen ist, scheint es einem nicht mehr so leicht, denn auf einmal hat das Spiel an Schwierigkeit zugenommen. Mein Leben hat endlich an Qualität gewonnen. Die miesen Zeiten fallen dabei umso stärker auf. Gerade in dem Bereich, in dem ich mich immer minder bemittelt wähnte, scheint es nun gut zu werden. Und dann soll ich sehenden Auges in mein Verderben namens Schulhölle laufen? Wie kann ich dann in den Zeiten mit einem (mir vielleicht seelenverwandten) wunderbaren Menschen ein wunderbares Leben leben und in den Zeiten in der Hölle nicht das schmerzende Feuer unter den Füßen und rund um mich spüren?
Ich schätze, bei einem Burnout geht es einem ähnlich: Man kann auf einmal nicht mehr. Obwohl man es mit aller Kraft will. Es geht nicht mehr. Bei mir ist es kein Burnout. Zumindest kein herkömmliches. Ich habe mich, im Gegenteil, vom Burnoutabgrund weggearbeitet, habe mich in bessere Zustände hochgehievt. Doch mein Willen, mich gegen mich selbst zu engagieren, mein Wesen und mein Ich zu ignorieren, lässt mich im Stich. Burnout along the lines of the wrong things in life.
Where's deus ex machina? Too bad he won't come in this not-exactly-a-novel-life of mine.
Guildenstern - 23. Apr, 15:52
Radfahren macht glücklich. Zumindest mich. Das erste Mal seit fast fünf Jahren war ich am nahegelegenen Badesee. Natürlich hat noch niemand gebadet, aber unzählige Leute haben sich bereits gesonnt. (Natürlich waren auch Tussen unterwegs, aber das störte nur marginal.) Auch war ich das erste Mal seit Langem radfahren, und das TAT GUT!!! So ein toller Sport! Warum nicht öfter? Ich steig wieder aufs Rad um!
Doch im Grunde war es etwas anderes, das mich faszinierte. Ich war auf einmal sichtbar. Ich bekam Blicke von Männern, so viele, dass ich nicht zählen wollte. Und keiner dieser war schleimig, testosteronberstend oder ein offensichtlicher Vollidiot. Sie schienen mir sogar in meinen Attraktivitätsbereich zu fallen. Ich schaute zurück, wobei das durch die getönten Gläser wohl nicht so merklich war. Ich war sichtbar!!! Das heißt nicht, dass ich auf einmal dünner wäre - bin ich nicht -, dass ich eine Modelfigur hätte - hab ich nicht - oder dass ich aussähe wie Sandra Bullock. Aber ich habe offensichtlich Präsenz und Selbstbewusstsein ausgestrahlt, sodass ich sichtbar wurde. Das tut so guuuut!
Vor Jahren hat mal jemand, der dann sogar wichtig wurde, zu mir gesagt, ich müsste halt sichtbarer werden, um nicht unterzugehen. Ich war geknickt. Ich war ja da! Warum können die anderen nicht Rücksicht nehmen? Na ja, müssen sie schon auch!! Aber zusätzlich stimmt es wohl, dass ich mich versteckte, obwohl ich da war. Doch nun bin ich sichtbar!
Außerdem war es super, dass so viele Männer - auch Frauen, Kinder, Pärchen - unterwegs waren und den Frühling genossen! Alle waren sie sportlich unterwegs, alle schienen sie gut gelaunt. Und ich dachte auf der Heimfahrt: Ich hab fast nur attraktive Männer gesehen. (Hab offenbar eine andere Brille auf.) Vor allem: Kein Testosteronüberdruck!!!
Irgendwo, unterwegs, hab ich meinen Wort- und Textsinn verloren und gegen puren Enthusiasmus eingetauscht. Sorry. Bad wording.
P.S.: And all the while thinking of ... and feeling him in my stomach incessantly.
Guildenstern - 15. Apr, 20:30
No, not Greenwich Village. Just some mountain place around here. Carla and Annie are discussing their problems. Me? The spectator, the occasional sympathetic nod. Sitting on a wooden balcony, trying to catch some of the last spring evening sun.
Carla: He said he wanted to be here on Sunday. Now it's Tuesday. He can never estimate correctly how long the work is gonna take him.
Annie: Er, well, I can't imagine what it's like. Pete is at least reliable, most of the time, but he's gone so often. But if I were your age, I wouldn't want to wait. I'd wait and wait, and before you know it, I'd be over thirty and still be waiting.
(Thanks from the spectator. I'm over thirty. But I guess I don't count since I'm only listening and since I'm not waiting. I'm just thirty, that's it.)
Carla: Seriously, I've begun to wonder that it wouldn't be surprising if I met someone and started to fancy him.
Annie: Hmm, yeah.
I'm glad not to have a guy at that very moment. No guy means no such trouble. Although I do think that ... is different. But that probably only shows the power of wishful thinking and of the early stages of infatuation.
Carla: It used to be okay. I didn't mind being on my own so often. But now I do mind. It has changed. He has basically made up his mind - "I'm going to work up there. My decision." - and tells me I can make up mine. But that doesn't leave any room for the us. There are no shared decisions about our future.
Annie: No,there aren't
Carla: Now, really, I wouldn't be surprised if I met someone and started to like him.
Annie:Hmm.
Which leaves me wondering: Has she already got someone on her mind? I mean, her stressing it twice, doesn't that sound like an excuse beforehand? Like laying the path for what is to come? But has actually started to arrive already?
Will I see ... in two weeks' time? I'm sorry, that's the main thing on my mind right now.
Guildenstern - 8. Apr, 11:23
Gestern war noch alles super. Gestern nahm ich mich in den Mittelpunkt und tat mir Gutes wie mich ins Biocafé setzen, köstlichen Cappuccino zu trinken und Schokokuchen zu essen und im momentan besten vorstellbaren Buch zu lesen. Ein Teil der Freude war die bewusste Abgrenzung von den Unannehmlichkeiten der Schule.
Heute ist es anders. Alles ist anderes. Ich bekomme Papierkugeln raufgeschnalzt und kann nicht eruieren, wer's war, damit fällt jede Konsequenz flach. Ich werde behandelt wie der letzte Dreck. Ich bin innerlich gestorben. Jede Maßnahme war zwecklos. In jedem Raum, den ich vier Stunden hintereinander betrete, sitzen mindestens drei Kandidaten, die zu Teenager außer Rand und Band gehören. Würden. Aber weil ja nur die Lehrerin leidet, nicht die Eltern, wird wohl niemand sagen: Schnell, der Psychiater!!
Morgen wird es mich nicht mehr geben. Ich werde mich nicht mehr für irgendetwas engagieren. Ich weiß aber, dass ich das nicht kann, weil ich damit ein paar Gute vergrämen würde. Ich bin die Erwachsene, an mir bleibt es selbstverständlich hängen. Ich glaube, meine letzte Aufgabe wird es sein, diese Situation zu lösen. Dann hab ich das Gefühl, ich kann es, dann kann ich gehen.
Was er mir unglaublich schwer macht, ist dieses nagende Gefühl, dass die Welt aus so vielen Idioten besteht, und dass man ohnehin nichts dagegen tun kann.
Guildenstern - 6. Mär, 13:27
Manchmal braucht es nicht viel, damit man entsetzt ist, und dann passiert wieder unglaublich viel, sodass man an der Welt verzweifelt. Gott sei Dank ist mein Selbstzerstörungstrieb irgendwo auf der Strecke geblieben. Ich bin bloß zornig. Eine Freitags-ich-komm-grad-vom-Kurzurlaub-zurück-Bilanz.
1) Am AB eine Nachricht einer Kollegin: Treffen wir uns doch am Montag bei mir, um dies und das zu besprechen. Grrrrr! Ich mag Arbeitspause haben.
2) Franzi: Ich hab mich irgendwie schon gefreut auf diese Serie. Ich duschte vorher, um den Reisegrind abzuwaschen. Ich setzte mich mit Muffin und Getränk gemütlich aufs Sofa, und dann das: Nicht, dass es schlecht gewesen wäre. Nein, nein, aber nur lustig war's auch nicht. So wahr, dass es weh tut. Und teilweise so unvernünftig, dass man jemanden schütteln möchte. Spontane Fernsehkritik der C: Irgendwie der Mundl auf Bayrisch. Ich mag den Mundl nicht. Die Franzi mag ich schon noch. Aber sie geht ans Eingemachte und ist keinesfalls fröhliche Feelgood-Unterhaltung.
3) Ich kippe mein Wasserglas um und wässere meinen Stuhl ein. Gut, das hat jetzt nichts mit der Welt zu tun.
4) Wenn ich schon dabei bin, bei Männern: Irgendwie hatte ich es ja eh so erwartet und sogar ein bisschen begrüßt, aber jetzt nimmt es sich doch seltsam aus, dass Becks verstummt ist. Na ja, besser so. Ich bin ohnehin mit offenen Augen unterwegs.
5) Nach Franzi zappe ich ein wenig und lande bei Aspekte: Ein Beitrag über Kinderheime in den 1950ern lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Wie kann man nur Kinder - überhaupt Menschen, aber insbesondere Kinder - so grausam brechen? Und WARUM IN ALLER WELT SIND DIE NAZIS NICHT VERURTEILT WORDEN, SONDERN EINFACH IN ANDERE JOBS VERSCHOBEN? Es ist zum aus der Haut Fahren!!!!!!!!!! Mein Bauchgefühl: Ich muss etwas anderes machen, ich muss dazu beitragen, dass diese Ungeheuerlichkeiten an die Öffentlichkeit und in die Hirne der Menschen kommen. Aufarbeitung erledigt? MITNICHTEN!!!!!
6) Wieder einmal der Job. Diesmal als Teil des Systems. Da überlegt man doch glatt, zurück in die Heimat zu gehen, dann startet die, die man für eine bessere Nachfolgerin der Frau Gehrer wähnte, eine unsägliche Diskussion. Wenn ich mich nicht im Zaum halte, explodiere ich vor Zorn. Wieder einmal reden Millionen mit, die nichts verstehen und nur vor Neid und Unzufriedenheit im eigenen Leben platzen. Wieder einmal, nein, erstmals in dieser Form und Intensität, zeigt sich, dass ich mich aufs Publizieren verlegen muss, den Wahnsinn in die Hirne der Menschen bringen muss. Wie schaffe ich es allerdings vorher, die bescheuerten 50% intelligenter zu machen? Ich schaffe es ja nicht einmal, dass alle den Unterschied zwischen s und 's schnallen oder das Alphabet zu lernen für notwendig erachten.
Guildenstern - 27. Feb, 23:14
Sollte mir das zu denken geben?
Ich träumte letzte Nacht, in unserer Schule würde Ausnahmezustand herrschen. Nicht nur das, die ganze Stadt wäre von Gesetzlosen und Terroristen bevölkert, und wir könnten keinen Schritt ohne Todesangst tun. Die Schüler wurden in die Klassenzimmer verfrachtet, wir saßen sinnvollerweise im Lehrerzimmer rum. Dann war es aber doch nicht meine Schule, weil andere Freundinnen auch da waren. Es war die akkumulierte Schule, quasi. Immer vermisste ich irgendetwas, immer hatte ich Angst vor dem Unbestimmten, und dann und wann musste ich denken: Wäre ich doch nicht so lasch gewesen, hätte ich dafür gesorgt, dass ich vor einem halbe Jahr weg gewesen wäre, dann wäre ich nicht in diesem Schlamassel.
Sollte mir das zu denken geben?
Guildenstern - 18. Feb, 10:56
Was an einem am Sonntag zum Zorn gereicht:
Der Chenille-Teppich, den man in der Waschmaschine gewaschen hat, hinterlässt an der unvorsichtigerweise mitgewaschenen hellen Wäsche Mengen und Mengen und Mengen an Wuckerln. (Hierzulande nennt man sie wohl Flusen. Und, nein, auf eine-Fluse-auf-Ihrer-Bluse-Tricks von Dr-Schmidt-gleichen Männern falle ich nicht mehr herein, welcome to those associations!) Nun habe ich schneefallgleiche Zustände in meiner Wohnung, und mit magnetischer Sturheit klammern sich die weißen Wuckerln überall an, wo es passend oder unpassend ist. Zum Wahnsinnigwerden? Ja, leider. Darf man nur nicht zulassen.
Guildenstern - 18. Jan, 11:44
Ich sehe ihn schon, bevor er herkommt. Seine Augen sind auf mich gerichtet, es glitzert etwas. Ist es ein Vorhaben? Er schiebt sich durch den Pulk und steht wackelnd neben mir. "Hast du einen Freund?" Noch vor Kurzem wäre ich da zum Rumpelstilzchen geworden, aber seit ich die Droge Mu neben mir stehen habe, bin ich auf Endorphinen, die alles aushalten. "Warum?" frage ich. Sinnvollerweise. Mit dem kann man zumindest rhetorisch spielen, weil er kein Vergewaltigertyp, sondern bloß schüchtern, in sich gekehrt und absolut nicht mein Fall ist (aber nicht der Schüchternheit wegen). Darauf antwortet er natürlich nicht, aber er deutet auf einen mir unbekannten Bargast, der nicht minder alkoholisiert, aber unglaublich protzig und schleimig rumtrampelt. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Er deutet auf S, die mir gegenübersteht, und verzieht sein Gesicht in ein Fragezeichen. Ich verziehe meines in einen wer-weiß-vielleicht-Ausdruck. Das reicht ihm nicht. Er glaubt mir halt die Lesbe nicht. Er deutet auf Mu, der in einer Unterhaltung mit Ma ist. Ich sage: "Vielleicht." Da schaut er enttäuscht und zieht ab. Kurz denke ich, wenn Mu mich als Freak einschätzt und mich nun für eine wahnsinnig Verliebte hält, die sich als seine Freundin wähnt, dann wär das ungünstig. Aber dann hat er sowieso eine ungünstige Meinung von mir. Und außerdem hast du mich eh nicht gehört oder gesehen, Mu, oder?
Guildenstern - 21. Dez, 13:30
Ich hab mich in Püppi verliebt. Sie hat mich mit schwarz-weißem Gesicht und auf drei Beinen angesehen, und nun muss ich sie haben. Sie wohnt bloß ein paarhundert Kilometer von mir entfernt. Aber sie ist eine Wohnungskatze! Und sie gehört irgendwie schon mir!
Guildenstern - 8. Dez, 23:26
Melancholie, ooh, Melancholie. Sonntagskonzert. Neu und üblich. Enttäuschung, weil im Programm stand: Text und Musik von Frank Sinatra und Ryan Adams. Da erwartete ich ein Medley, aber von Ryan Adams' genialem "New York, New York" war nix zu hören. Wer da recherchiert hat? Sonst: schön und mal weniger schön. Hat mich nicht immer so mitgerissen, wie ich erwartet hatte. Beim letzten Lied standen dann dreimal so viele Männer auf der Bühne, und da war's klar: Es hatte das Volumen, vor allem aber hatten Männer gefehlt. Frauenstimmen alleine oder im Überhang wirken schnell leer. Ich erinnere mich an meine schönste Chorerinnerung. Probe im Hörsaal und dann Aufführung auf der knappen Bühne, äh, Empore in der Kirche. Der Bass im Ohr, fähig, mir sämtliches Unglück der Welt für fünf Minuten wegzusingen, stattdessen nur Glück in meinen Adern fließen zu lassen. Ein Mann, der mich beeindrucken will, hat schon mal gute Startchancen, wenn er hinter mir oder schräg hinter mir steht und mir ins Ohr spricht oder eben besser singt. Es gibt beinahe nix Schöneres auf der Welt als einen Basslauf in meinem Ohr.
Tja, und ein wenig melancholisch bin ich auch deswegen, weil ich im Konzert sitzend an ihn denken musste. Auf einmal vermisste ich ihn doch ein wenig. Ich wollte neben ihm sitzen. Ist es immer so, dass man erst mal zur Ruhe kommen, etwas genießen und dabei dann draufkommen muss, dass man jemanden vermisst? Was hält mein Leben für mich bereit? Wenn ich in drei Wochen in sein Terrain einschneie und ihm vielleicht in den Massen über den Weg laufe, wird das etwas aufwärmen? Wird es peinlich? Wird es etwas beginnen? Vielleicht vermisse ich nur das Schöne im Leben, nicht bloß oder gar nicht ihn.
Nothing good comes easily. When will it come, though?
Guildenstern - 23. Nov, 19:50