Wer mich heute im Supermarkt sah, der schüttelte vielleicht verwundert den Kopf. Ich war nichtsahnend, viel zu blauäugig, ohne meine Ohren auf Genauigkeit zu schalten, in den Markt gegangen und - GEFANGEN! Die Streicherklänge ließen mich schon Allerschlimmstes ahnen, Panik kroch meinen Rücken hinauf, es begann, Gewissheit zu werden: "Nikita". Nicht mein lieber Freund Nikita, sondern das Verbrechen aus Feder und Kehle von Elton John, das mich seit Jahrzehnten verfolgt und mich sogar noch im Dämmerschlaf aus dem Bett springen lässt, um bei den ersten gefürchteten Klängen abzuschalten (weil die Fernbedienung nicht so weit reicht). Kein Entkommen. Mit letztem Rest Gehirn, das nicht von Panik aufgebraucht, fiel mir der MP3-Player ein, der in meiner Tasche wartete, und die nächsten Sekunden wurden dem fieberhaften Rausfingern und unmöglichen Ignorieren des scheußlichen Liedes gewidmet. Gut, dass wenigstens nicht viel Einkaufswagenverkehr war, denn ich stand mitten im Weg. Kaum waren die rettenden Stöpsel in meinem Ohr und die Lautstärke MEINER Musik - Peter Gabriel - verdoppelt, atmete ich ruhiger.
Nein, ich habe nicht überreagiert. Gut, ich mag ein wenig neurotisch sein, aber hier habe ich nicht überreagiert. Dieses "musikalische" Verbrechen rührt in meinem Hirn um und verlässt mich lange, sehr lange nicht. Ich weiß es. Darum kann ich es nur vermeiden. Die Frage, die diesmal bleibt: Wie kann derselbe Mensch, der Wunder wie "You Gotta Love Someone" geschafffen hat, SO etwas schreiben?
Ach, es ist immer wieder schön, wenn man überlebt.
Guildenstern - 24. Aug, 20:00
Oh, Freundinnentelefonate! Ich mag sie. Wenn man auf dem Weg ist, auf dem ich bin, dann sind sie außerdem noch ein Zeichen, weil man sieht, dass man sich nicht abschotten will. Noch einmal außerdem hat es mir gezeigt: Ein eingestreuter Name - absichtlich oder unabsichtlich, ich mag da nichts unterstellen - hat bei mir nichts ausgelöst. Oder eher 0,1% von fast nichts, mit Zeitverzögerung von mindestens fünf Sekunden. Was Urlaub nicht alles mit einem machen kann! Der Abstand! Die Freiheit! Woesch!
Guildenstern - 21. Aug, 21:03
Das Foto in einer Fernsehzeitung hat mich zurückversetzt: Alexander Lutz. Er war der erste, bei dem ich mich erinnern kann, so halb in seine Stimme verliebt gewesen zu sein. Als er das erste Mal beim Kaisermühlenblues auftauchte, waren meine Reaktionen, in dieser Reihenfolge: Aaaah, nein, der Alexander Lutz, zack, des gibt's doch nicht, mein Geheimliebling in Ton UND Bild. Hmm, na ja, aber so toll ist er eigentlich gar nicht, ich hätte ihn mir ein bisschen verwegener, außergewöhnlicher vorgestellt.
Die armen Männer, die können nie richtig sein. Doch die Stimme war schon ein Hammer, so weich und doch bestimmt, so samtig, so sympathisch. Wer erinnert sich denn noch an "Blauberg"? Das war eine Zeit lang das Allergrößte für mich, und ich habe lange darunter gelitten - also, nicht so sehr wie unterm ersten Liebeskummer, aber immerhin -, dass ich die letzte Folge dieser grandiosen Radiosoap (wobei, Soap???) verpasst hatte. Buhu!
Guildenstern - 21. Aug, 20:54
Bin ich wirklich so kleinlich? Ich kann mir nicht vorstellen, dass außer mich niemanden dieser himmelschreiende Logikfehler stört. Ich meine, Werbung ist zwar bloß Werbung, aber für dumm-doof-dämlich sollte sie einen doch nicht verkaufen wollen. Ob sie es wohl doch tut? Oder sind nur die Macher ein wenig dumm-doof-...?
Inode. Wir sind die Guten. Aha. Der Aufbau, der zu dieser Aussage führt, stinkt aber zum Himmel. Erst die Frage: "Habt ihr superschnelles billiges Breitband?" (Oder so ähnlich.) Dann auf die Verneinung die Folgerung: "Dann seid ihr die Bösen, denn nur die Guten haben superschnelles billiges Breitband." (siehe oben.)
Hätte da nicht jemand entweder nochmal ganz schnell einen Schnellkurs in Logik besuchen oder seinen Hausverstand etwas schärfen sollen? "Nur die Guten haben..." ist eine Aussage, die bedeutet, dass "gut sein" eine Notwendigkeit ist. Es geht nicht, dass jemand dieses Superprodukt besitzt und aber ein ganz ein schlimmer Finger ist. Allerdings ist da jemandes Fantasie mit jemandem ganz arg durchgegangen, sodass aus der wenn-dann-Aussage eine genau-dann-wenn-Aussage wurde, in der auch der Besitz des Superprodukts eine Notwendigkeit wurde.
Wenn es heißt "nur die Guten haben XYZ", dann kann es ja auch sein, dass es Gute gibt, die kein XYZ haben. Oder? Ach, wo sind nur die guten Werbungen hin, die den Konsumenten nicht an die Grenze der Debilität stellen wollten?
Guildenstern - 20. Aug, 19:47
Ich wollt ja nichts sagen, aber: merkt man was? Nein? Oh, äh, egal.
Also, wenn man so die Gefühle, die einen ereilen, nicht unterdrückt, ereilen einen ganz viele. Bei Scrubs heute hat mich ein Bauchgefühl gemeinsam mit Erinnerung überrascht. Alex P. Keaton. Michael J. Fox hat noch immer die Macht.
Guildenstern - 20. Aug, 19:30
Man meint oft ungerechtfertigterweise, dass man radikal alles verwerfen müsste, wenn man sich weiterentwickelt. Als Teenager war ich glühender Rainhard-Fendrich-Fan, und irgendwann so zwischen Brüder und Brüder verlor ich das Interesse an seiner Musik und auch den Nerv, mich intensiv mit eines Künstlers Leben auseinanderzusetzen, nur weil man die Musik mag. Letzteres kam auch nur in Ansätzen zurück, und nicht für den Herrn Fendrich. Man muss nicht alle sympathisch finden, darum ist es auch nichts so Außergewöhnliches, dass er mir heute eher sehr unsympathisch ist und sich mein Magen komisch unangenehm zusammenzieht, wenn ich ihn in einem Fernsehbeitrag sehe.
Dass seine Musik von damals, vor Brüder, oder sagen wir, bis inklusive Teile von Brüder, wirklich kleine Juwele sind, das brauche ich nicht zu leugnen. Nicht nur waren die Texte gut, auch die Musik war besonders. Anders, mitreißend, besonders.
Vielleicht hängt meine Vehemenz damit zusammen, dass der Herr Fendrich mich musikentwicklungsgeschichtlich begleitet hat, Fakt finde ich - also ist es nur Meinung -, dass mit Herrn Tato Gomez noch alles prima war, der Stil 1a war. Mit Herrn Faltermeyer ging's bergab. So weit, so subjektiv. Fendrich hatte aber tatsächlich eine sehr gute Band. Ein Schulkollege, der vom Fach, weil selbst Schlagzeuger und Sänger, der's mittlerweile auf die Musicalbühne geschafft hat, hat es mal so ausgedrückt: Der Fendrich hat in seiner Band die besten Musiker Österreichs. Das war 1997.
Es bleibt, er bleibt. "Der Wind" bei unserer Maturafeier war eine gute Entscheidung, ein schönes Erlebnis.
Guildenstern - 20. Aug, 18:53
Manches muss man zweimal kapieren, um es zu verstehen. So zumindest meine Erfahrung, was eine Erfahrung betrifft. Bereits vor eineinhalb Jahren führte mich eine spontane Reise meinem Herzen folgend nach München - tja, die ganze M-Geschichte wurde da unwiderruflich -, wo ich in einer Jugendherberge nächtigte und sofort bei meiner Ankunft erkannte: Die Zeit meiner Jugendherbergsnächtigungen ist vorbei. Vorbei der große Überschwang bei Reisen, der einem die Kraft gibt, den großzügig verteilten Dreck, den knausrig verteilten Raum für jeden Gast und den Diskomfort zu übersehen. Dass ich in der ersten Nacht trotzdem wie ein Baby schlief, hatte wohl eher mit meinem Abendprogramm zu tun gehabt.
Nun habe ich es wieder getan, habe mich, um Geld zu sparen, in einer Jugendherberge einquartiert, noch dazu mit der Erinnerung, dass sie doch recht gut, schön sauber sei. Das allerdings zeugt nur davon, dass nicht nur Absoluta, sondern meistens Relativa bedeutend sind. Mein erster Besuch in der Myrthengasse war mit 17 gewesen, zu ein paar denkwürdigen und trotzdem fast in Vergessenheit geratenen Tagen mit der Schulklasse. Grauslig, mostly. Dann blieb ich wieder dort über Nacht, das war fast sieben Jahre später, und da war ich angetan von der generalüberholten Herberge. Diese Erinnerung hatte mich geblendet. Ich stellte leider diesmal wieder fest: My hostel days are over. Ein Stockbett, das bei jeder noch so kleinen Bewegung knarrt, sodass es einen nicht wundern würde, wenn einen die unten Schlafende killen möchte - obwohl sie, ausgleichend, seeeehr laut schnarchte, sodass sogar mein MP3-Player nicht dagegen ankam. Sanitäranlagen, die einen erschaudern lassen, wenn man irrtümlich irgendwo anstreift. Schon am Beginn einer Nacht ein Sauerstoffgehalt von unter drei Prozent in der Luft, dafür Sockenaroma von entweder zwei Monaten Camping ohne Waschgelegenheit oder gesammelt von Schweißfüßen über mehrere Jahre, eingefressen in Wände und Böden. Gute Nacht! Wo man bei diesen Attributen noch sagen könnte, vielleicht gibt's ja wo eine Jugendherberge, die weniger davon bietet, so ist das beim Lärm beim Frühstück wahrscheinlich nicht der Fall, und der hat mich halt schon auch ein wenig gestört. Wahrscheinlich wird man halt einfach nur alt. Buhu.
Andererseits, sollte es nur besser werden?
Guildenstern - 19. Aug, 20:39
Am Freitag, der der hohen Besucherdichte im MQ nach zu schließen ein guter Fortgehabend war, ging ich mit meiner Freundin in ein Lokal, das man durchaus als fancy in disguise beschreiben könnte. Die Preise waren dem Geschmack der Speisen entsprechend hoch - oder umgekehrt? Ich wischte das beiseite, wie es nur geht, wenn man sich in bester Gesellschaft befindet und das Leben bespricht. Den Rest des Lokals im Rücken, genoss ich es wohl mehr als meine Freundin, die die Umgebung im Blickfeld hatte. Die spartanische Einrichtung ließ nicht auf die gehobene Klasse schließen, die Blicke, als wir uns niederließen, schon. Aber manchmal ist einem so etwas einfach egal. Und das ist gut so.
Guildenstern - 19. Aug, 20:29
Andere Kleider, selber Schock.
* "--- was hit by a car while riding her bicyle on campus. She died on the site of the accident. T.D., her boyfriend, whom she had been dating since January, was devastated."
Also das war der Grund für sein good-bye. Toll, wenn ich deshalb nicht monatelang Trauer im Herzen getragen hätte. Scheißkerl! Auch wenn er trauert. Scheißkerl! (Or, as R helpfully said: What a fuckface!)
* "Meine Freundin und ich haben jetzt einen kleinen Hund, und ich habe ihr versprochen, bald nach Hause zu kommen."
Päng! Päng, päng, päng! Man muss zwei Gehirne haben. Das eine macht völlig zu und spürt nur noch Schmerz, das andere hört mechanisch noch immer, was er weiter plappert. Nein, dieser Mann plappert nicht. Mein Hirn hört, wie er Silbe um Silbe dem Monolog anfügt, es registriert, wie ich nach außen hin mit keiner Wimper gezuckt habe, wie er nach außen hin beiläufig sagte...
* "Heute war ich am Berg mit meiner Flamme."
Ooooooooooh! Scheiße, das dunkle Loch vom Samstag tut sich erneut auf und verschlingt mich. Immerhin Buchstaben, keine Schallwellen, sodass ich alleine mit meinem gebrandmarkten Herzen sitze. Es tuat so weh, wenn ma verliert. Ich hab's viel zu lange nicht bemerkt, und nun ist es zu spät. Ich hätte vielleicht nie eine Chance gehabt, aber nun ist es definitiv zu spät.
To you I shall say, as I have often before, Do not be in a hurry, the right man will come at last.
(J. Austen)
But will there be as much pain as there has been until he's here?
Guildenstern - 14. Aug, 22:48
but ten days old
Guildenstern - 14. Aug, 15:25
Lass es zu, dass du am Abend sterben willst
und lass es zu, dass du am nächsten Morgen Kräfte fühlst.
Guildenstern - 12. Aug, 23:11
Wenn man den Müll im Leben von vornherein weglässt, hat man so unglaublich viel tolle Zeit zur Verfügung!
Guildenstern - 7. Aug, 23:13
Warum sind Entscheidungen so schwer? Weil man, wenn man ich ist - vielleicht auch nicht nur dann - immer eine ganze Armada von Aspekten beachten muss, quasi die Ahnen der Ahnen der Bedenken. Man ist nie alleine, wenn man auch im Grunde immer alleine ist. Schöner Sch.!
Guildenstern - 6. Aug, 16:44