Samstag, 6. August 2011

Crossroads

Irgendwie ist's ja so: Frauen verwenden mehr Downtoners als Männer. Oder bin nur ich das? Ist ja irgendwie dann auch schon fast egal, nicht? Fiel mir angesichts meiner Überlegung auf, dass die Freundin von S irgendwie unbeeindruckend war - ich hatte sie mir so.. so... so über-lebensgroß vorgestellt. Anscheinend dann irgendwann auch physisch, denn ich war von ihrer Petiteness überrascht. Musste an meine Freundin Teresa denken und an deren Problem, dass Size 2 zu groß war. Ach, dachte ich damals, als sie in der Umkleidekabine stand und aus den Lautsprechern des Ladens erklang: "Somebody once told me the world was gonna roll me, I ain't the sharpest tool in the shed..."

Vielleicht erschien Y mir nun auch deshalb so klein, weil sie mir im Grunde nicht begegnete. Irgendwann fing ich an, mir Gedanken zu machen, eigentlich erst so richtig nach unserem einander-vorgestellt-Werden, und ich dachte, vielleicht war dies ja erst der Tag ihres Anflugs und darum die Müdigkeit. Was es auch war, auf jeden Fall war sie mir nicht nicht so richtig gegenüber.

Möglich, dass das nicht das allerschlechteste war. Ich fühlte mich ihr keinesfalls überlegen, nicht in irgendeiner buchstäblichen oder übertragenen Weise. Aber ich fühlte mich auch nicht klein, und das war gut so.

Ich hatte gut eine Woche unterbewusst auf diesen Tag zugewartet. Tatsächlich hatte ich wohl noch viel, viel länger gewartet. Doch seit ich wusste, dass sie zur Probe mitgenommen werden und ich sie dann sehen würde, lief ganz leise und sachte ein heller Countdown irgendwo da drinnen, im Bauch, oder im Hinterkopf oder so. An jenem Abend bekam auf einmal alles wieder Gewicht, was bereits locker und unbeschwert gewesen war. Sollte ich ein SMS schicken und fragen, ob ich wie immer mitfahren könne? Oder sollte ich einfach mit der S-Bahn fahren? Aber würde das dann nicht seltsam ausschauen? Gedanken, die schon sehr, sehr lange im müffelnden Kellerabteil gewohnt hatten. Als nach ein paar Hindernissen wie "Sind später weggekommen" und einem Stau, der ja irgendwie ach so symbolisch zu lesen wäre, wenn man denn wollte, ein kleines Schwarzes auf die Kreuzung zurollte, war meine unrechtmäßige Aufregung bereits verebbt.

Sie saß auf dem Beifahrersitz, ich dachte, aha, das ist sie also in echt. Sie stieg aus, würdigte mich nicht so recht eines Blickes, aber nicht unfreundlich, klappte den Vordersitz nach vor, um mich einsteigen zu lassen, und wurde von ihm etwas aufgeschreckt, als er von der Fahrerseite herüberrief "Y! Und C!" Höchst undramatische Vorstellungsrunde. Ich stieg ein und kiefelte noch ein paar Sekunden daran, dass ich den Sitz beinahe selbst nach vor geklappt und ob das wohl zu viel Vertrautheit mit dem Auto ihres Freundes suggeriert hätte. Dann saß ich auf der Rückbank und wurde mir bewusst, dass dies eine Premiere war. Über den Rückspiegel hatte ich noch nie mit ihm kommuniziert.

Ich bemühte mich, nicht in den rechten Seitenspiegel zu sehen, um nicht mit ihr in einen seltsamen Austausch zu kommen, und mich normal zu geben, um nicht über ebendiesen Spiegel bei irgendetwas ertappt zu werden, dessen ich mir selbst gar nicht bewusst war. Oh, wenn ich es recht bedenke, war das verquere Logik. Nun denn, vergossene Milch und so...

Er und ich kommunizierten verbal und über den Spiegel, und ich fühlte mich etwas schlecht, weil es eine Sprache war, die sie nur schlecht verstand. Ich hatte im Vorfeld bereits überlegt, ob ich dann mit ihm in der Lingua Franca Englisch sprechen sollte, aber die Erinnerung daran, wie es war, mit meinen Schulfreunden, mit denen ich teils acht Jahre in meiner Muttersprache gescherzt hatte, Englisch zu sprechen, nur weil ein amerikanischer Freund in der Runde Gast war, die war noch immer präsent. Ich schloss mich ihm daher an und redete einen Kompromiss seiner Standard- und meiner Dialektsprache, wie ich es schon immer getan hatte.

Währenddessen fühlte ich mich auffällig gut. Irgendwann schlich sich die Frage an, ob ich mich gut fühlte wegen unserer vielen gemeinsamen Erlebnisse und unserer Freundschaft, oder ob es nur ein Faktum war, wertfrei zur Kenntnis genommen, dass er und ich uns einen Kontinent teilten.

Sie saß unbeteiligt vorne. Als wir vom Auto zum Probenraum trotteten, ließ ich ihr bewusst den Platz in seiner Nähe. Wir waren zu spät, die anderen bereits mitten im Einsingen. Sie erregte ein "Ah!", dem er jedoch mit "Sie kommt nur zum Zuhören." begegnete. Ich schwebte hoch, höher, achtsam, nicht die Halteseile durchzuschneiden. Ich habe das beinahe jede Woche, dachte ich. Fühle ich mich deshalb so gut? Und wenn ja, ist das nicht etwas vermessen, wo doch niemand etwas für geographische Umstände kann? Oder war es nur das Bewusstsein, dass ich - oder jemand - mir eine ganz fürchterliche Reaktion meinerseits erspart hatte und ich mich deshalb ganz fürchterlich freuen konnte? Als ich damals Sabine kennenlernte, war ich den ganzen Abend der Missmut in Person, und A fragte mich später per E-Mail - das gab es damals anscheinend schon -, ob ich Probleme mit seiner Freundin habe. Ich hätte mir angesichts von Y auch denken können, alle sind schöner als ich, aber das kann man doch immer, oder? Ich hab es jedenfalls nicht.

Ein paar Mal seither habe ich mir gedacht, ob ich vielleicht etwas verpasse, weil es weitere Treffen gibt, bei denen man sie hätte besser kennenlernen können. Aber diese Gedanken habe ich wohl nur, weil ich, was ihn betrifft, nach wie vor unsicher bin. Hätte er es gerne gehabt, dass wir hier sie besser kennenlernen? Die Saat dieser Idee ward nach der Probe gesät. Als ich nach längerem die Gespräche der anderen dahingehend durchschaute, dass sie in den Biergarten gehen wollten, und zwar anschließend, überlegte ich kurz. Alles, einfach alles, sprach für einen baldigen Abschied. Physische Gegebenheiten, Psyche (grad noch?) oben, am nächsten Tag Monsterprogramm. Ob ich mitgehen würde? Ich schüttelte stumm den Kopf. Die paar Sopräne und Tenöre dachten sich vermutlich, ich hätte zu meiner seltsam verschrobenen Art zurückgefunden. Am Gang wartete ich auf ihn und sie. Körperliche Nähe zwischen ihnen? Fehlanzeige. Ist wohl nicht so ein Freund von PDA... Er berührte sie nur kurz an der Schulter. Gut gelaunt. Sie gedämpft. Im Hinaufgehen fragte ich, ob sie in den Biergarten mitgehen würden. Oh, Biergarten? fragte er. Ja, das wäre doch was. Fragte seine Freundin, die prompt sprach, sie sei zu müde. Oh, aber ob sie nicht denn Hunger habe? Er habe sicher zuhause auch noch eine Kleinigkeit, aber das würde dann noch dauern. Ich dachte, oh, äh. Wenn ihr mitgeht, dann fahr ich mit der S-Bahn zurück. Oh, gehst du denn nicht auch mit? Dachte, du hättest deshalb gefragt... Ach, ich muss wirlich meine sprachlichen Mittel überdenken. Und wenn er das dachte und dan..., hieße das dann nicht, dass... Ach, egal. Genauso egal wie die Antwort auf die Frage, warum es gut eine Woche davor so war, dass er zuerst meinte, er komme nicht zur Probe, weil seine Freundin zu Besuch sei, dann, dass er doch komme, weil er sie ja mitnehmen könne, und mich dann ansah. Länger als sonst. Mit blicktechnischem Unterton.

Ist ja egal. Mein Freund wartet.

Ab jetzt Hauptrolle!!

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